U S Ohlsdorf

Wer sich auf einer Karte Hamburgs nach Grünflächen umsieht wird unweigerlich drei große Flecken entdecken:
Den Altonaer Volkspark, den Stadtpark und den Friedhof Ohlsdorf. Dass genau der Friedhof die mit Abstand größte Grünfläche ist, damit hatte ich nicht gerechnet. In Ohlsdorf gibt es neben jenem Friedhof durchaus noch mehr zu sehen, starten möchte ich trotzdem direkt an der Haltestelle.

Keine 50 Meter aus der U-Bahn Ohlsforf heraus wird man direkt mit dem begrüßt, was wohl Ohlsdorfs stärkster Exportschlager sein dürfte: Grabsteine.
Haus an Haus reihen sich hier die unterschiedlichen Unternehmen im Verkauf, direkt natürlich mit Blick auf den Friedhof selber.
Das mag erst mal düster klingen, war dann aber auch schon das mit dem größten Faktor an Unbehagen, dem ich hier begegnet bin.
Kaum in das Areal das Friedhofs eingetreten zeigt sich, dass die Grünanlagen, die Bepflanzung und die Aufmachung des Gebietes selber als eher einladend, lebendig und fröhlich präsentieren. Ganz anders als so manche Grabesstätte außerorts.

Mit einer Fläche von stolzen 389 Hektar, 16 Kapellen und Eventhallen, einem Rosengarten und unzähligen anmutigen Familiengräbern reicht ein ganzer Tag zu Fuß nicht aus, um alles zu erkunden. (was auch gar nicht notwendig ist, es gibt hier nämlich sogar eine eigene Buslinie)
Nach auf zwei Tage aufgeteilten sieben Stunden in Bewegung habe ich gerade mal den westlichen Teil ablaufen können. Der Rest muss warten.

Ohlsdorf selber wirkt ruhig, gelassen, passend zur Gesamtatmosphäre also. Kleine Mehrfamilienhäuser, eine sehr überschaubare Menge an Restaurants und Cafés
und eine sprudelnde Schleuse waren so ziemlich das Aufregendste, was mir zufällig über den Weg lief.
Bis ich auf ein gewaltiges Ungetüm stoß, von dem ich bis dato nichts wusste:
Die Justizvollzugsanstalt Fuhlsbüttel, auch Santa Fu genannt.

An sich erst mal nicht weiter interessant, bis auf die Außenwände gibt es bei einem Gefängnis ja auch nichts zu sehen. Was mich überhaupt erst hierher gebracht hatte waren aber Schilder in Richtung des ehemaligen Konzentrationslagers Fuhlsbüttel.
Wie sich schnell herausstelle teilen sich die JVA und das ehemalige KZ das Gelände, zur Zeit der Nationalsozialisten war es für ein und dasselbe gedacht.
Insassen befinden sich laut der Museumsleitung des KZ hier nicht mehr viele, der Großteil der Fläche stehe leer.
Was in dem KZ selber bis 1945 passiert ist lasse ich hier undokumentiert, dafür sind andere Quellen besser geeignet. Es ist aber recht einfach zu erraten, dass es hier nicht besser zuging als in jedem anderen KZ, oder Zuchthaus, wie dieses KZ früher noch genannt wurde.
Bei dem Gedanken als Insasse in einem ehemaligen KZ untergebracht zu sein, wird mir dann doch etwas mulmig. 

Nach einer netterweise persönlichen Führung durch das Museum, sonntagvormittags ist nicht viel los, machte ich mich langsam in Richtung U-Bahn auf.
Das einzige, was ich dann noch sehen durfte war wohl das Makaberste zugleich. Neubauten und Einfamilienhäuser direkt an der Grenze zum KZ.
Gebaut durch eine Unternehmensgruppe, die die Flächen hier profitabel nutzen möchte und auch am Gefängnisareal selber Interesse hat.
Auf den Flächen eines ehemaligen KZ glückliche Familie zu spielen finde ich dann aber doch eher irritierend und schließe mich der Meinung derer an, die das Areal als Denkmalschutz im Eigentum der Stadt behalten und die Erinnerung an die Vergangenheit beibehalten wollen.
Was passieren kann, wenn die Taten zur Zeit der Nationalsozialisten vergessen oder als nicht mehr der Erinnerung notwendig betrachtet werden, haben uns die letzten Jahre mehr als deutlich gezeigt.

Olhsdorf mag nach all diesen eher spukigen Erlebnissen nicht sonderlich einladend klingen, ist es aber.
Diese Reise in die Vergangenheit, das Reich der Toten und den Bezug zur Gegenwart war es wert.